„Schuss! Schuss! Schuss!“

Der Mann, der an der Glasscheibe im Eingangsbereich der U-Bahn-Tür lehnte, murmelte etwas vor sich hin. Ich wollte wissen, was, also zog ich den Kopfhörer ab. „…sollte man alle erschießen“, sagte der Mann, den ich als Nordafrikaner einordnen würde. Er trug eine schwarze, eng anliegende Sonnenbrille, eine schwarze Wollmütze und einen schwarzen, dicken Filzmantel. Es war mir unbehaglich, und ich war froh, dass ich an der nächsten Station aussteigen musste. Die Tür öffnete sich, und jeden Aussteigenden – auch mich – verabschiedete der Mann mit einem gemurmelten „Schuss“.
Ich war froh, die U-Bahn-Station zu verlassen. Mit dem Tageslicht auf der Treppe kam die Scham – ist jemand von Grund auf eher eine Gefahr, weil er muslimisch aussieht? Wer regelmäßig mit Nahverkehrsmitteln fährt, sieht regelmäßig verwirrte Menschen, die Verschwörungstheorien, radikale Parolen oder gänzlich Unzusammenhängendes absondern.
Das Problem liegt eine ganze Ebene tiefer: Ein geringer Anteil radikaler Islamisten zieht ihre ganze Weltreligion in den Dreck. Ich glaube nicht, dass der Mann in der Frankfurter U-Bahn Terror im Schilde führt – er hat einfach das Pech, dass einige Minderheiten eine kollektive Angst schüren. Eine aktuelle Umfrage der Meinungsforscher von Infratest dimap hat gerade gezeigt: 60 Prozent der Befragten fanden die Darstellung des Islam als friedliche Religion nicht überzeugend. Der Anteil derer, die sich große Sorgen um eine zu starke Ausbreitung des Islam machen, stieg in den letzten fünf Jahren von 36 auf 42 Prozent.
Ich will nicht einmal sagen, die Angst sei völlig aus der Luft gegriffen. Vielleicht war ich auch gerade sensibilisiert, weil ich in der S-Bahn nach Frankfurt zwei Seiten zum IS in der aktuellen Zeit gelesen habe. Aber Angst macht blind. Sie macht unempfänglich für die Feinheiten und Differenzierungen, die eben getroffen werden müssen. In unserer Welt gibt es nur eine haltbare Pauschalisierung: Niemandem wird es gerecht, über einen Kamm geschoren zu werden. Immerhin, eine Umfrage im September brachte ein sehr differenziertes Islambild zu Tage.