Über Wladiwostok

Nikita Chruschtschow soll Wladiwostok einmal mit San Francisco verglichen haben: Beide Städte liegen am Pazifik, gehen über Hügel ständig auf und ab. In Wladiwostok fährt sogar Russlands einzige Standseilbahn, die dann wohl die Parallele zu den Cable Cars darstellt. Und die Stadt im fernen Osten Russlands hat sogar gleich zwei große Hängebrücken, die eine Bucht und die Meeresenge zur Insel Russkij überspannen.

Die Russkij-Brücke verbindet die gleichnamige Insel mit dem Festland.
Die Russkij-Brücke verbindet die gleichnamige Insel mit dem Festland.

Wer sich mit Wladimir Putins Außendarstellung beschäftigen will, sollte die neuere der beiden Brücken überqueren und sich Russkij ansehen: Lange Zeit war auf der bewaldeten Insel nur die Marine stationiert, im Sommer fuhren Familien zum Grillen und Baden herüber. Dann wurde bekannt gegeben, dass der jährliche Gipfel der Anrainer des pazifischen Wirtschaftsraumes, der APEC-Staaten, 2012 in Wladiwostok stattfinden sollte. Der Gipfel wurde für die Stadt und die ganze Region zu einem großen Prestigeprojekt: Putin ließ nicht nur eine Hängebrücke über die Meeresenge schlagen, sondern baute dort gleich noch einen kompletten Campus mit riesigen Konferenzsälen, Hotels und Außenanlagen auf die Insel. Für ein zweitägiges Gipfeltreffen. Wobei zumindest der überwiegende Teil sinnvoll weitergenutzt wird: Auf dem Gelände befindet sich mittlerweile der frisch entstandene Campus der Far Eastern Federal University.
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Umso peinlicher, dass aus der Warmwasserleitung auf dem gesamten Campus eine riechende, braun-orangene Brühe strömt. Aber bei Putins erneutem Besuch vor wenigen Wochen wurde schnelle Abhilfe versprochen.


Die Investition verfolgt wie einige andere den übergeordneten Plan, die Region Primorje attraktiver zu machen. Wenn Wladimir Mikluschewski, der Gouverneur der Region, davon berichtet, welche Wirtschaftsinvestoren sich in den letzten Jahren neu angesiedelt haben, gehen die Dollar-Beträge zur Veranschaulichung schnell in die Milliarden. Dafür läge die Abwanderungsquote lediglich bei 0,15 Hundertstel eines Prozents, „das ist im statistischen Fehlerbereich“.
Wie auch immer, unabhängig davon machte die Stadt auf mich tatsächlich einen attraktiven Eindruck. Seit 2013 gibt es ein krachmodernes Opernhaus, das der Repräsentation ebenso genügt wie der FEFU-Campus. Die Hafenstadt weist weiterhin ein ausgewogenes Verhältnis aus schönen, älteren und modernen Gebäuden auf, hinter denen die natürlich auch hier vorhandenen Bausünden jüngerer Vergangenheit nicht zu sehr hervortreten.
Bekannt sein dürfte die etwa 150 Jahre alte Garnisonsstadt, deren Name sich mit „Beherrsche den Osten“ übersetzen lässt, vor allem als Endpunkt der Transsibirischen Eisenbahn. So gesehen ist sie gleichermaßen das russische Tor zum Pazifik und zum Hinterland, das sich in diesem Fall mehrere tausend Kilometer gen Westen erstreckt. Vielleicht lässt sich ja so der scheinbare Gegensatz erklären, dass Wladiwostok gleichzeitig fernöstlich geprägt ist, aber auch sehr europäisch daherkommt.

Der Platz der Sowjetkämpfer ist der zentrale Platz Wladiwostoks.