Zwischen Angst und Normalität: Bus fahren in Jerusalem

Ich kann doch nicht dauerhaft in Angst leben…

Angst habe er nicht, sagt ein Mann um die fünfzig, der als einer der wenigen Fahrgäste keine Kippa und keinen Hut trägt. Normalerweise läuft er, wenn er aus Tel Aviv zur Klagemauer fährt, vom Jaffa-Tor aus quer durch die Altstadt. An diesem regnerischen Tag hat er sich für die Linie 1 entschieden. „Natürlich kann etwas passieren“, sagt er. „Ich bin vorsichtig im Bus. Und auf den Markt gehe ich gar nicht, das ist noch gefährlicher.“

Ein wichtiger Markt in Jerusalem ist der Mahane Yehuda im nordwestlichen Teil der Innenstadt. Anat und Samuel warten am Ausgang an der Agripas-Straße auf den Bus. „Klar, die Situation ist schon angespannter als sonst“, sagt Samuel. Er hält einen Pinienzapfen in der Hand, dreht ihn beim Reden geschickt um die eigene Achse. Anat erzählt: „Letzte Woche bin ich auch nicht mit dem Bus gefahren, aber jetzt ist es an den meisten Orten wieder okay.“ Während sie den Satz zu Ende spricht, quält sich von links ein Bus den Hügel hinauf. Als die Linie 32 vor ihnen hält, steigen Anat und Samuel ein.

Auch wenn man noch nicht von einem Ende der Gewaltwelle sprechen kann, gehen die Jerusalemer immer mehr zum Normalbetrieb über. David hat es sich auf einem Fensterplatz bequem gemacht, er liest, auf dem Sitz gegenüber liegen Einkaufstüten mit Brot und Gemüse. „Ich kann doch nicht dauerhaft in Angst leben“, sagt er. Er fährt stadtauswärts mit der 78 – der Linie, in der vor kurzem zwei Menschen und einer der beiden Attentäter gestorben waren*. „Ich glaube an Gott, das macht mich stark“, sagt David. „Und dann gibt es ja noch die ganzen Polizisten und die Armee.“

Beitragsbild von Ze’ev Barkan (CC BY 2.0), auf Flickr gepostet unter https://www.flickr.com/photos/29001414@N00/2591997793.

* Mittlerweile ist auch noch ein drittes Opfer seinen Verletzungen erlegen.