Von allen deutschen Städten ist Freiburg vermutlich die, die am stärksten den Ruf einer nachhaltig-grün-ökologisch-alternativ-studentischen Stadt vor sich herträgt. Die Ampelschaltungen der Innenstadt sind auf Fahrräder abgestimmt, an jeder Ecke und in jedem Supermarkt gibt es veganes Essen, in den Straßen vor der Uni stehen mit verschiedenen Gemüsen guerillabepflanzte Blumenkübel und der Bürgermeister ist natürlich von den Grünen. Um die Einhaltung der Nachtruhe kümmert sich freundlich und zuvorkommend die so genannte „Säule der Toleranz“, die je nach Uhrzeit die Farbe wechselt wie eine Ampel.
Da passt es nur zu gut, dass das jährlich stattfindende Zelt Musik Festival vor den Toren der Stadt sich den Aspekt „Energiewende“ auf die Fahne und sogar als eigenen Punkt auf die Homepage geschrieben hat. Die insgesamt gute Umsetzung hat jedoch noch ein paar Schwächen.
Über zwei Wochen treten in der besonderen Atmosphäre eines 3.000 Zuschauer fassenden Zirkuszelts am stadtnahen Mundenhof überregional bekannte Künstler auf, die Ticketpreise unterscheiden sich nicht von Liveshows in regulären Veranstaltungshallen. Das ZMF bietet rundherum jedoch mehr: In einem zweiten Zelt findet sich alternative Livemusik, weiter vorne auf dem Gelände gibt es Essensstände, die weit über die übliche Festival-Currywurst hinausgehen. Freiburg wäre nicht Freiburg, wenn es nicht auch hier ein angemessen nachhaltig-grün-ökologisch-alternativ-studentisches Angebot gäbe.
So weit, so gut. Die Crêpes kommen auf essbarer Waffelplatte, aber nur gegen Aufpreis. Auf die Gabeln beim Pilaustand wird Pfand erhoben – die Plastikschälchen landen jedoch trotzdem nach dem Essen im Müll. Immerhin werden offene Getränke in Mehrwegbechern ausgeschenkt; das ist aber auch heute das ökologische Minimalziel, an dem sich Veranstalter großer Events orientieren.
Besonders fortschrittlich gibt sich das ansonsten tadellos organisierte Festival online vor allem im Bezug auf umweltschonende Anreise. Es gibt einen gut getakteten Shuttle-Bus zum Park+Ride-Parkplatz, die Sonderbusse mit ÖPNV-Anbindung fahren jedoch deutlich unregelmäßiger. Wer sonntags ein Konzert auf dem ZMF sehen will, kommt mit dem Sonderbus nicht weit. Und auch die normalen Busse der Freiburger Verkehrs AG wurden für den Zeitraum des Festivals nicht in ihrer Taktung verdichtet.
Bleibt die Anreise zu Fuß oder mit dem Fahrrad. In beiden Fällen ist die Beschilderung aus Richtung Lehen, also auch aus Richtung Innenstadt, quasi unvorhanden. Dann endet auf dem letzten Kilometer sogar noch der Fußgängerweg, die enge Landstraße wird jedoch stark befahren. Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer stehen sich in den Füßen, vor dem Parkplatz wird es sogar noch etwas unübersichtlicher. In mancherlei Hinsicht hinkt das ZMF seiner nachhaltig-grün-ökologisch-alternativ-studentischen Gastgeberstadt Freiburg noch hinterher.
Aktuell dürfte die Anreise für Fußgänger zumindest ungefährlich sein: Nach den Regengüssen der letzten Tage ist der Parkplatz am Festivalgelände wegen Überschwemmung gesperrt.